Was die DDR-Staatssicherheit im Sommer 1989 der Führung von Staat und Partei über die Stärke der Opposition zu melden hatte, war eigentlich kein Grund zur Besorgnis: Den 2,3 Millionen SED-Mitgliedern in 59.300 Grundorganisationen standen gerade einmal 2.400 organisierte Gegner in 150 Basisgruppen gegenüber. Lediglich 60 Personen musste man als „unbelehrbare Feinde des Sozialismus" wohl dauerhaft verloren geben. Diese Machtbasis sollte sich jedoch schon wenige Monate später als Papiertiger erweisen. Der anfänglich von einer Subkultur getragene Protest wuchs lawinenartig zur Massenbewegung an und spülte das Regime hinweg, ehe es sich eine Verteidigungsstrategie zurechtlegen konnte. Wie konnte ein System, in dem ein Sechstel der Einwohner das Mitgliedsbuch der Staatspartei besaß, an deren Schulungen und Ritualen teilnahm und zumeist auch noch irgendwelche gesellschaftlichen Ehrenämter ausübte, derart widerstandslos aufgeben? Die Autorin macht dafür einen schlei- chenden inneren Zerfall der Partei verantwortlich, den sie bis 1979 zurückverfolgt. Das Misstrauen in die Informationspolitik der Führungskader und die Desillusionierung über die langfristige Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems und damit die eigenen Lebensperspektiven habe zu einer Resignation geführt, deren logische Konsequenz die Passivität gegenüber der Wende von 1989/1990 war.
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