ES&T: Herr General Seifert, Sie haben Ihre Dienstzeit als Soldat in der Nationalen Volksarmee der DDR begonnen. Sie sind dann in die Bundeswehr des vereinten Deutschland übernommen worden. Wie war damals der Wechsel für Sie? Seifert: Wie man sich bestimmt vorstellen kann, ist die grundsätzliche Veränderung des Gesellschaftssystems für jeden Menschen ein einschneidendes Ereignis - vielleicht das Einschneidendste, das man sich vorstellen kann. Ich habe es im Grunde zunächst als den Verlust des Vaterlandes wahrgenommen. Sie wissen, dass die politischen Grundlagen der DDR sehr ideologisch geprägt waren. Somit war der Systemwechsel für jeden, der mit Überzeugung diese Gesellschaftsordnung mitgetragen hatte, sozusagen der schlimmste anzunehmende Fall, der eingetreten ist. Ich selbst war als Offizier und Mitglied der staatstragenden SED einer derjenigen, die als Soldaten das System mit erhalten und schützen sollten. Ich persönlich hatte bis zuletzt nicht daran geglaubt, dass die DDR so schnell von der Bildfläche verschwinden würde. Als es dann aber so kam, stellten sich für mich persönlich die gleichen Fragen wie für jeden anderen: Was erwartet mich jetzt? Wie werden sie mit mir umgehen? Wie wird sich das alles entwickeln? Das beherrschende Gefühl war eigentlich Unsicherheit. Letztendlich hat der Soldatenberuf, den ich noch in der NVA ergriffen hatte und den ich jetzt in der Bundeswehr weiter ausübe, dazu geführt, dass für mich schnell wieder Sicherheit und Kontinuität entstand und dass ich vor allen Dingen schnell auch Vertrauen und Optimismus für die Zeit nach der deutschen Vereinigung gefunden habe. Der Beruf war also für mich der Ankerpunkt, der mir Halt in dieser unsicheren Zeit gegeben hat. In der Wendezeit habe ich vor allem deshalb an meinem Beruf festgehalten, weil er meiner lebenslangen Begeisterung für die Fliegerei, Flugzeuge und die Luftfahrt im Allgemeinen entsprach und der Dienst bei der Bundeswehr mir das alles wieder ermöglichen konnte. Und so ist aus der anfänglichen Unsicherheit, vielleicht sogar ein bisschen Furcht vor dem, was da kommt, ein zupackender Optimismus entstanden, da weitermachen zu wollen.
展开▼